Iris Bohnet, müssen Sie als Professorin an der Eliteuniversität Harvard härter arbeiten als Ihre männlichen Kollegen?
Schwer zu sagen. Es gibt aber durchaus Forschung, die zeigt, dass junge Frauen härter arbeiten als ihre männlichen Kollegen, bis sie eine volle Professur erhalten. Wenn ich als junge Frau Leute unterrichtete, die älter waren als ich, war es schwieriger, meine Autorität und Kompetenz zu demonstrieren. Da hiess es schnell, was will denn die, die hat doch noch zu wenig Erfahrung, um uns Führungspersönlichkeiten zu unterrichten.
Hätten Sie in der Schweiz ähnlich Karriere machen können wie in den USA?
Ich weiss es nicht. Aber als ich nach Amerika kam, lag der Anteil der Professorinnen in Harvard bei fast 20 Prozent, in der Schweiz gerade mal bei sechs Prozent. In den USA sind auch die Strukturen anders: Mein Mann und ich haben viele Freunde, die beide arbeiten. Darum gibt es schon lange Ganztagsschulen. Unsere Söhne, Dominik und Luca, sind jetzt 16 und 11, und wir hatten noch nie eine Geburtstagsparty unter der Woche, weil alle Eltern arbeiten. Das alles macht es einfacher, Beruf und Familie zu vereinen.
Was hat Ihnen sonst noch geholfen auf Ihrem Karriereweg?
Während meiner Studienzeit gab es in Zürich eine Konferenz von Führungsfrauen, quasi ein WEF für Frauen. Dort lernte ich Dinge, die ich noch heute anwende. Zum Beispiel, dass ich vor einem Vortrag an eine Situation zurückdenke, in der ich mich stark und selbstsicher fühlte. An diesem Event habe ich auch realisiert, was alles möglich ist. Die weiblichen Vorbilder waren extrem wichtig für mich und sind es generell. Ob Mädchen sich nur als auf Rettung wartende Prinzessinnen oder als aktive Frauen sehen, spielt eine wichtige Rolle. Zudem habe ich von guten Mentoren profitiert. Meine Eltern, Ruth und Paul Bohnet, aber auch mein Doktorvater Bruno Frey, haben immer an mich geglaubt. Förderung ist enorm wichtig.